Folge 1 - Heimatloser Ausländer

Shownotes

Hintergrund zur Audio-Story: https://der-figaj.medium.com/tadschu-fae353c4ef80

Webseite: www.tadschu.de

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TADSCHU Folge1

Heimatloser Ausländer

M: „Ich glaube, auch aus diesem Grund, dass er immer heimatloser Ausländer sein musste, wollte er auch nie Deutscher sein. Weil er hat sich das ja nie so aussuchen können. Er hat es respektiert. Aber im Grund glaube ich hat er auch ein bisschen damit gehadert, warum er sein ganzes Leben mit dieser Betitelung leben musste.“

M: SOUND

P: Wenn sich meine Mutter an meinen Großvater erinnert – an meinen Opa – dann wahrscheinlich genau so, wie die allermeistern Töchter das tun. Voller Liebe. Natürlich. Und irgendwelche Ausweise spielen da als letztes eine Rolle. Für mich war das anders. Ein irgendwie faszinierendes Stück Papier. Ne vergilbte Karte – „The Bearer is a displaced Person“. Steht da drauf. Der Besitzer – gehört also irgendwie nicht hierhin. Aber wie kann sein... Wer war mein Opa. Dieser Mann. Freundlich. Zurückhaltend. Und wo kam er her. Was war das für ein Weg, den er gehen musste? Weil – das war mir schon als kleiner Junge klar. Irgendwie war er anders. Klar: Er sprach anders. Und hatte auf mich irgendwie eine geheimnisvolle Ausstrahlung - das ist schwer zu greifen. Wir glauben ja, unserer Großeltern gut zu kennen. Und wissen eigentlich oft doch nicht viel. Denn obwohl mein Opa zeitgemäß gekleidet war und sich auch so gab, war da für mich etwas. Und das musste mit seinem Leben zu tun haben. Und ich will seitdem wissen, warum.

Letzten Endes hat sich für mich alles in einer Frage zusammengespitzt: Wenn du „Heimatloser Ausländer“ bist. Woher kommst du dann?

Letzten Endes hat sich für mich alles in einer Frage zusammengespitzt: TRAILER

2016 hab ich mich das wieder gefragt. Das warn dunkler Tag, die LKW-Rampen auf einem ehemaligen US-Militärgelände in Mannheim ziemlich grell. Hohe Flutlichter. Und überall dazwischen: Dicht zusammengedrängte Gestalten. Ne Situation, in der alles unklar war.

2016 hab ich mich das wieder gefragt. Das warn dunkler Tag, die LKW-Rampen auf einem ehemaligen US-Militärgelände in Mannheim ziemlich grell. Hohe Flutlichter. Und überall dazwischen: TV-Nachrichten Flucht

2016 hab ich mich das wieder gefragt. Das warn dunkler Tag, die LKW-Rampen auf einem ehemaligen US-Militärgelände in Mannheim ziemlich grell. Hohe Flutlichter. Und überall dazwischen: Ich war da als Reporter unterwegs. Als Beifahrer auf dem Weg durch eine große Mannheimer Flüchtlingsunterkunft. Da war ein Handwerker, der hatte auf dem Gelände zu tun. Und der nahm mich mit. Was mir in Erinnerung geblieben ist, sind die vielen Baustellenzäune. Die die Gehwege quasi vorgegeben haben. Und dazwischen überall Gestalten ohne Perspektive. Männer. Frauen. Kinder. Wo sie hier waren, das wussten sie — wahrscheinlich fast alle — nicht. Die Busse, die sie weiterfahren sollten, waren noch nicht da, oder sie kamen doch nicht. Und das alles bei diesem kalt-feuchten Wetter... was hatte meine Mutter mir erzählt

M: „Das er häufig durch Kontrollen ging. Wo sie ihn dann übersprungen haben. Nach seiner Aussage war er ja relativ groß. Schlank. Sportlich. Dunkelblond. Markantes Gesicht. Er sah ja eigentlich sehr westeuropäisch aus. Das war auch seine Schilderung. Sie mich manchmal nicht wahrgenommen. Weil ich als Deutscher gehalten wurde. Und ich habe immer meinen Mund gehalten.

P: Eine andere Zeit – ganz anderer Ort. Aber trotzdem. Das hat was ausgelöst. Mit meiner Mutter hab ich immer wieder über Opa gesprochen. Aber wenn wir ehrlich sind: richtig vertieft hatten wir seine Geschichte nie... Und verstanden eigentlich auch nicht. Was komisch ist.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Der kommt nicht von hier; Und dann sind’s genau solche Szenen wie die auf diesem ehemaligen US-Militärgelände, die alles in en anderes Licht rücken. Komplett.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Warum? Er stand hier. Ich stehe hier. Und diese Menschen. Und irgendwie schließt sich da der Kreis.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Gedicht //

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Wenn der Sturm draußen tobt, und es regnet.Dann wird es leise.Es rauscht. Und trotzdem ist es ruhig.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Wenn jemand Schmerzen hat, kreischende Schmerzen, Tränen vergießen muss.Dann wird es irgendwann ruhiger.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Leid musst du ertragen können, wenn du irgendwann wieder Freude haben willst. Du musst durch die Dornen des Weißdorns gehen, das ist dein Weg zum Glück.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: Doch Freud und Leid liegen nah beieinander.

Wir sprechen, und diskutieren wieder so viel über Herkunft. Über Heimat. Und dann gibt’s da diesen Ausweis – einen schlichten weißen Pass – deines Großvaters. Und als Kind begreifst du zwar nicht , was da genau steht. Aber immerhin habe ich verstanden: ATMO (Computertatstatur)

Eines ist mir auf jeden Fall in der letzten Zeit klar geworden: Es gibt tausende Geschichten, die nicht erzählt sind.

M: „Allerdings war er ja ein ganz stiller…..Und….. irgendwann als ich älter wurde kam natürlich auch Interesse auf. Was er nie wollte: Das wir polnisch sprechen. Das einzige was er uns beigebracht hat war Auge und Nase. Da waren wir natürlich noch sehr klein. Aber später hat er das dann von sich gewiesen und wollte nie, dass wir die Sprache lernen.“

P: Was heißt denn Auge?

M: „….. ich glaube Oko. Weiß es nicht genau. Und Nase heißt Nos. Das weiss ich sicher. Nos.“

P: Lass uns nicht drüber reden. Oder gar nicht erst dran denken. Unausgesprochenes war der meistgeführte Dialog der Nachkriegszeit.

M: „Das war einfach Bestand. Weil wir ja auch heimatlose Ausländer waren.“

P: Gemerkt hab ich das aber erst später. Ziemlich viel später. Eigentlich ist es mir erst im Verlauf der Suche klar geworden. Das geht ganz vielen so. Weil vieles mittlerweile digitalisiert wird. Dokumente, Stadtarchive.... da ist unglaublich viel Material frei zugänglich geworden. Was es teilweise vor ein zwei Jahren noch nicht war. Und dann wird noch ein Stück klarer: Es geht vielen so, die Fragen haben. So wie ich. Auch mal ein Stück zurück gucken. Wenn nicht so ganz klar ist: Woher kommen meine Großeltern eigentlich. Und schon klickst du dich durch Google. TADEUSZ...

ATMO: Musik 2. Weltkrieg, Lager, Klarinette ...

P: Ich sag‘s mal so: Um den 2. Weltkrieg herum zu recherchieren kann ziemlich erschlagend sein. Wo soll man da ansetzen. Auf der einen Seite ein Haufen Dokumente, die sich auf dem Schreibtisch stapeln. Auf der anderen Seite: Abertausende Seiten im Netz. Menschen, Verschwundene, Grausamkeiten. Politisches. Und immer wieder: Lager. Leid. Das lässt man erstmal liegen. So geht das nicht.

ATMO: (Laptop zu)

P: Ich muss früher ansetzen. Zurück in den Sessel. Späte 80er. Ein grüner, weicher Sessel. Und mein Opa. Ich hab ihn natürlich nur noch als älteren Mann erlebt... Aber auf mich hat er trotzdem immer stattlich, souverän und ausgeglichen gewirkt.  Graue, zurückgekämmte Haare, ne hohe Stirn. Wenn er sich gekämmt hat, hat er das immer mit so einem silbernen Metallkamm gemacht. Nass. Wasser drüber. Haare zurück.

P: Im Zweiten Stock links. Fünf Kilometer von Mannheim entfernt. Die Zwei-Zimmer Wohnung meiner Großeltern. Schlafzimmer, genau daneben das Wohnzimmer, der Ohrensessel. Kleiner Balkon.

P: Blaues Toilettendeckelpolster. Wie das alles hängen bleibt, ist krass.  6,7 Jahre alt war ich da.

P: Stundenlang haben wir an seinem Schreibtisch gesessen und gezeichnet. Mit alten Schablonen. Die Lineale hatten Buchstaben, die man mit einem feinen Bleistift nachzeichnen konnte. Alles ziemlich genau. Geredet hat er kaum. In der Ecke stand die Beinprothese mit Schuh. Sein Unterschenkel war amputiert. Das war einfach so.

H: „Heimat ist immer dort wo man Familie hat und sich wohlfühlt.“

P: Das ist Horst. Jahrgang 36. 17 Jahre jünger als mein Opa also. Fluchtgeschichte.

H: „Wenn dann rechts und links die Häuser brennen, dann ist alles rot. Da weht der Wind…“

P: Eindrücke, die mir komplett fremd sind. Obwohl ich sowas natürlich hundertfach in Dokus gesehen hab. Mir ist das aber auch komplett fremd, weil mein Opa solche Geschichten, solche Schilderungen nie erzählt hat. Kein einziges Mal. Nada. Alles was wir wissen, sind Bruchstücke. Ein paar Schwarz, weiß Bilder.

M: „Also ich kann mich nicht daran erinnern, dass er die jemals rausgeholt hat. Und ich weiß auch sicher, dass er die nie aufgehoben hat. Sondern dass das meine Mutter war, die die aufgehoben hat. Die die gesammelt hat. Aber er – hat da glaube ich kein großes Interesse gehabt an diesen Vergangenheitspapieren. Er war. Er hat so in sich geruht. Er war so mit sich im Reinen...Was war das war. Er war nicht so, dass er sich gegrämt hat. Was alles war. Zumindest nicht vordergründig.“

P: Orte, die mir nichts sagen. Menschen die ich nicht kenne. Aber kein Krieg. Kein vermeintliches Schicksal. Da ist nichts. Außer seltsame Dokumente. Und irgendwie hab ich den Verdacht, dass Lebenswege in dieses Land hinein, in dem ich großgeworden bin vielleicht ganz anders aussehen, als man sich das so vorstellt

P: // Gedicht

Obwohl es das Leben nicht gut mit dir meint,Obwohl das Schicksal dir fast den Boden unter den Füßen wegzieht; Wenn dir einer die Frage stellt: Wie geht es Dir?

Dann antworte: Großartig!Folge nur diesem Weg.Dann wirst du deine Ziele erreichen.

Dann antworte: Du wirst viele unangenehme Erfahrungen machen.Aber am Ende Freunde finden.

P: Zurück zu diesem Pass. Groß wie eine Visitenkarte – 1947 ausgestellt. Bleicher US-Army-Stempel drauf. Also nach dem 2. Weltkrieg. Diesen Pass hab ich allerdings nur in seinen Unterlagen gefunden. Zu Hause haben wir immer mal wieder über heimatlose Ausländer gesprochen, und warum der Begriff eigentlich in der Familie eine Rolle spielte. Aber nur am Rande.

M: „Nur wenn du Jugendlicher bist, dann hinterfragst du so etwas nicht. Immer wieder. Was hast denn du gemacht als du so alt warst wie ich? Anfang der 70er. Zwischen 12 und 20 grob. Dann war ich dann gerade mal 20. Dann kommen so deine eigenen ersten Problemchen. Führerschein. Und was dann so alles ist. Und da ist es normal dass du nicht hinterfragst. Was hast du denn in dem Alter gemacht. Das war nie ein Thema.“

P: Weil er es von sich aus nicht erzählt hat.

M: „Weil er auch nicht darüber reden wollte.“

P: Was ich am Anfang gar nicht verstanden habe, dass es da einen Zusammenhang gibt. Also zwischen diesen beiden Begriffen. Displaced Person auf der einen Seite. Heimatloser Ausländer auf der anderen.

P: ATMO Computertastatur

D: „Behandelt wie ein drittklassiges Pack“ – DER SPIEGEL. 1983

H: „Displaced Person – nach dem Krieg sind noch einige Leute hier rumgefahren – ich kannte die nicht – aber ich habe sie auf dem Straßenbild hier in Heidelberg gesehen. Das waren schwarze Anzüge. Und auf dem Rücken war das DP draufgedruckt. Große weiße Lettern.“

P: Horst kann sich da noch ganz gut dran erinnern. 1-2 Jahre nach Kriegsende. Hatte ich vorher so noch nie was von gehört. Es gibt auch nicht wirklich viel Film oder irgendwelche Audio-Dokumente über DPs. Wenn man nach Menschen sucht, die keinen jüdischen Hintergrund haben. Hatte mein Opa nicht. Er war katholisch. Was es gibt: Eindrücke, wie es in den ehemaligen Lagern der Nazis war, die umfunktioniert wurden. Kasernen, Hütten als Flüchtlingsunterkünfte. Klingt irgendwie bekannt. Meistens sind das tonlose Aufnahmen. .... Man findet aber auch den ein oder anderen amerikanischen Reporter –

R: „These were a few...desperatly to get home...known as displaced persons..“

P: – Arthuer Gaeth zum Beispiel:

R: „They come many oft them...Lodz and Kraukau...“

P: Ich hatte mir vor dieser Recherche gar nicht bewusst gemacht, wie viele Menschen nach dem 2. Weltkrieg noch in solchen Lagern gelebt haben. Ehrlich nicht. Teilweise über Jahre. In Barackensiedlungen.

P: ATMOMail

Betreff: Recherche zu Großvater

Ein SPIEGEL-Artikel hat mir weitergeholfen. Also, ein Wissenschaftler, der darin zitiert wird. Wolfgang Jacobmayer. Damals, Vor 37 Jahren. August 1983. Er war da 43.. Ich war damals übrigens sage und schreibe drei Monate alt. Ich hab ihm geschrieben. Auf seine Mail warte ich nur kurz:

Ein SPIEGEL-Artikel hat mir weitergeholfen. Also, ein Wissenschaftler, der darin zitiert wird. Wolfgang Jacobmayer. Damals, Vor 37 Jahren. August 1983. Er war da 43.. Ich war damals übrigens sage und schreibe drei Monate alt. Ich hab ihm geschrieben. Auf seine Mail warte ich nur kurz: Sehr geehrter Herr Figaj,

„dass ich Ihnen so rasch antworte, hat eine gute und eine schlechte Seite. Die gute Seite ist: Sie können sicher sein, mich erreicht zu haben. Die schlechte ist: Die Wissenschaft leuchtet nicht so tief in die Geschichte hinein, dass Einzelpersonen erkennbar werden.

„dass ich Ihnen so rasch antworte, hat eine gute und eine schlechte Seite. Die gute Seite ist: Ich kann Ihnen gar nicht helfen, kann Ihnen nur Hinweis auf mögliche Wege geben. Empfehlen möchte ich Ihnen, dass Sie den Internationalen Suchdienst in Arolsen um Auskunft bitten. Diese würde wenigstens - im besten Falle - belegen, in welchen DP-Lagern Ihr Großvater nach 1945 gelebt hat. Wenn es Lager der Britischen Zone waren, ist die Aussicht verschwindend gering. Denn die Briten haben die Besatzungsakten rigoros ausgedünnt. Das Gleiche gilt für die französische Zone. Dagegen könnten Sie beim Archiv der UN in New York anfragen. Denn die mit Hilfsaufgaben zugunsten der DPs beauftrage UNRRA hat in der Schlussphase 1947, ehe sie von der IRO abgelöst wurde, sog. Camp Histories vor Ort erstellen lassen.

„dass ich Ihnen so rasch antworte, hat eine gute und eine schlechte Seite. Die gute Seite ist: Das ist es, was ich Ihnen sagen kann. Ich hoffe, Sie sind nicht zu enttäuscht. Mit freundlichen Grüßen „

P: Das war nicht unbedingt das, was ich mir erhofft hatte. Aber immerhin. Ansätze. Was aber klar ist, stand schon im ersten Absatz. Gedruckt vor 37 Jahren.

P: Der Begriff, eine angloamerikanische Kriegsprägung – stand da – ist so spurlos verschwunden wie die Realität, die er vor dreieinhalb Jahrzehnten bezeichnete. DPs. Displaced Persons.

Deshalb spricht Horst auch von „Dipis“. Was ich lerne ist: Das ist ein ziemlich schwammiger Sammelbegriff. Und zwar für Millionen von Menschen, in den westlichen Besatzungszonen fast 6,5 Millionen. Die zwischen 1939 und 45 von den Deutschen verschleppt worden sind. Das waren Zivilisten aus besetzten Gebieten. Fremdarbeiter. Kriegsgefangene. Aus Konzentrationslagern befreite Menschen.

H: „Und in diesen Lagern waren dann die ganzen Flüchtlinge. Das waren die Fremdarbeiter, die dort arbeiten mussten. Weil wie gesagt die deutschen Männer waren ja an der Front. Das war ne Baracke. Da waren in der Mitte Bohlen, Maurerdielen. Mit Pflöcken eingerammt. Heute würde man sagen Biergarnituren. Standen so Tische mit Holzbänken. Rechts und links war Stroh aufgeschüttet. Da haben die Leute geschlafen. Also zack, zack, zack, zack. Und dann war da ein Hof, ein großer Sammlungsplatz. Gulaschkanonen. Also die Versorgung war….es gab zwar Milchsuppe mit Haferflocken. Aber das hat uns nicht schwach gemacht….Hat sogar geschmeckt.“

P: In diesem SPIEGEL-Artikel wird auch das Gefühl aus den 50ern beschrieben. Also gut dreißig Jahre zuvor. Zu diesem Zeitpunkt. Hute sind wir 70 Jahre weiter. Es geht um ein Lager für polnische DPs. Tadschu kam aus Polen. Aus Lodz, die Rheinische Post schrieb damals:

D: „Endlich ist es vorbei mit der polnischen Wirtschaft.“ Und anstelle des „Nachkriegs-Schandflecks.“ Also sie meinen diese Lager, Werde wieder bergische Sauberkeit in der verschandelten Gegend herrschen.

P: Lass ich mal so stehen. Erinnert mich an eine andere Diskussion. Solche Unterkünfte als üble Orte zu beschreiben.

P: Das ist jedenfalls mal ein Punkt zum Anknüpfen. Ich will wissen, wo Tadschu herkam. Ehrlich gesagt, das was der SPIEGEL in den 80ern geschrieben hat, gilt ja heute noch mehr. Kein Mensch kann noch was mit dem Begriff DP anfangen. Kaum einer dieser Menschen lebt noch. Mein Opa wäre heute, Stand 2020, 101.

P: Wir kennen Bruchstücke. Diesen Ausweis. Seinen Geburtsort. Lodz. Zentral Polen.

Aber DPs schwierig. Denn: Schon ein paar Jahre nachdem der Krieg zu Ende war, waren nicht mehr viele da. Was hatte der Wissenschaftler nochmal geschrieben: DPs waren bald nur noch Objekte der Nachkriegspolitik.

Aber DPs schwierig. Denn: Heimatlose Ausländer. Und Opa einer von Ihnen.

L: Seit dem 1. Weltkrieg gibt es in Europa ein Problem der Flüchtlinge.

P: Deutscher Bundestag. 1950. Das ist Dr. Hans Lukaschek –, CDU damals Flüchtlingsminister.

L: Namentlich die dankenswerte Arbeit der IRO (P: also der Internationalen Flüchtlingsorganisation) erreichte es, die Zahl der in der BRD verbleibenden ausländischen Flüchtlinge, auf etwa 258.000 gegenwärtig zu verringern.

P: Lukaschek erläutert den Bundestagsabgeordneten hier zum ersten Mal einen neuen Gesetzentwurf.

L: Das Ihnen nun mehr vorgelegte Gesetz, soll die Rechtsstellung der heimatlosen Ausländer, wie wir diesen Personenkreis nennen wollen, vorläufig regeln, bis die internationale Kommission das Problem einheitlich und umfassend regeln wird.

P: Und weg ist der Begriff. Aus DPs – „Displaced Persons“, werden in Deuthschland „heimatlose Ausländer“. Was bleibt, ist das Problem. Lukaschek so nennt es Lukaschek.

L: Es ist ein Dokument der Bereitschaft...wertvollsten irdischen Güter hergeben mussten. Nämlich ihre Heimat.

P: Da ist sie wieder. Die Heimat. Für mich Opas Knie. Auf seinem grünen Samtsessel. Stunden am Schreibtisch, wenn kaputte Wecker oder Radios auseinandergeschraubt haben. Und für ihn?

P: Als 26 Jähriger sicher kein hessisches Auffanglager. Ich konnte das die ganze Zeit nicht lesen. Das Dokument war an der Stelle geknickt. Ich muss weiter zurück.

P: ABSPANN

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